Samstag, 24. Oktober 2009

Alt wie ein Baum

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was ein besonders alter Baum - hätte er denn Augen, eine Erinnerung und könnte er sprechen - uns retrospektiv berichten könnte? In Deutschland ggf. vom Rauch der Hexenverbrennungen am Horizont, den Schweden im 30-Jährigen Krieg, vom Getrappel der Postpferde oder vielleicht gar unter seinem Schattendach von einigen Schäferstündchen im Wandel der Zeiten?
Und in Zypern?
Deutsche Freunde von uns haben in Goudi, das ist ein kleines Dorf "oben" an der Goldküste Nähe Polis, ein Anwesen mit einigen besonders betagten, aber immer noch tragenden Olivenbäumen. Die Gewächse mit gewaltigem Stammdurchmesser und fast sieben Meter Umfang gehören zweifelsfrei zu den ältesten auf Zypern, vielleicht 800 Jahre alt, ggf. auch mehr? Wie beamen uns also ins Zypern des 12. oder 13. Jahrhunderts und begeben uns auf eine schier unglaubliche Zeitreise.

Das byzantinische (oströmische) Weltreich war gerade zerbröselt, sein letzter Herrscher über Zypern, Kaiser Isaak Komnenos, galt als grausam, jähzornig und gewalttätig. Kaum Aufatmen für die von hohen Tributen ausgepresste Landbevölkerung: Schon schrieb Richard Löwenherz - König der Engländer und Herzog der Normandie - Inselgeschichte: Eigentlich auf Kreuzzug III unterwegs, schrieb er sich in den Analen der Geschichte als Retter seiner vom Schiffbruch auf die Insel gespülten weiblichen Verwandten ein, die vom Widersacher Isaak als Faustpfand gefangen gehalten wurden. Und weil er schon mal da war, nahm er den ersten und letzten zyprischen Kaiser gefangen und ließ ihn auf dessen Bitte hin in "sibernen" Ketten standesgemäß darben.
Dann heiratete unser Richard I. in Limassol und verkaufte das Inselchen an seinen Kumpanen, den in Jerusalem durch Sultan Saladin in Bedrängnis geratenen Guido von Lusignan. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Lusignan war ab 1192 nun plötzlich statt "König von Jerusalem" sein eigener Amtsbruder von Zypern, allerdings nur zwei Jahre, dann starb der erste Franzosenherrscher. Sein historisches Verdienst: L. begründete die französische Vormachtsstellung auf der Insel, die erst 1474 endete und an die Venezianer abgegeben werden musste, um dann hundert Jahre später an die Osmanen weitergereicht zu werden, die dann wiederum dreihundert Jahre drauf gegenüber den Engländern das Nachsehen hatten, die sich dann hier aber auch nur 100 Jahre als Kolonialmacht aufspielen konnten. Seit 1960 ist Zypern unabhängig, seit 1974 geteilt.

Was hat das alles mit den uralten Olivenbäumen in Goudi zu tun? Die galten unter den Venezianer im 16. Jahrhundert schon als ziemlich "alt" und sollten bis heute noch vieles erleben -ganz aktuell zu ihren Wurzeln einen Poolneubau zum 60. Geburtstag ihres nun deutschen Besitzers.

Uralt und jedes Jahr noch voll im Saft: Olivenbäume auf Zypern

Ein Baumkoloss vor dem Kolossi-Castel. Es wurde unweit von Limassol zu Zeiten von Richard Löwenherz von den Johannitern gegründet, gehörte danach bis zu deren Verbot den Templern und dann den Maltesern. Wie alt mag der Baum sein?
Unweit von Lysoss spendet ER den Fundmenten einer frühchristlichen Kirche Schatten
Zwei Himmelsstürmer: Minarett in Limassol, davor eine durch ein Fass gewachsene, gewaltige Palme

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