Sollte ich jemals eines späteren Tages in den Altersruhestand gehen, habe ich hier auf Zypern zwei Freizeitziele: Zuerst möchte ich Exkurse in die archäologische Theorie und Praxis unternehmen, später oder parallel mich dann der Beobachtung des Meeres widmen.
Welche Botschaften spülen die Wellen ans Land? Was sagt uns der Wellenrhythmus? Warum tobt das Meer bei Windstille und warum ist jeder 20. bis 25. Schwapp plötzlich um die Hälfte höher als die Vorwellen? Das größte Geheimnis, das es für mich aus dem Mittelmeer zu fischen gilt, berührt jedoch die Meteorologie und den Goetheschen Farbenkreis zugleich. Aus der Farbe des Wassers lässt sich mit gewisser Sicherheit das Wetter der nächsten Tage voraussagen. Und diese nuancenreichen Farbschattierungen mit ihrer Wetterrelevanz haben es in sich.
Heute konnte der blaue Ostersonntagshimmel dem Wasser darunter nicht einmal annähernd das Wasser reichen. Das Meer war tieftintenblau, weit mehr als nur kaiserblau, ähnlich kräftig wie azurblau, eleganter "angestrichen" als nur mit profanem Tiefblau. Eine solche Sattfarbe, verbunden mit idealer Fernsicht signalisiert wohl: Es kündigt sich wettermäßig ein Wärmesprung an - von gestern noch weit unter 20 bis gut 25 Grad Celsius in den nächsten Tagen. Vorsommer - endlich.
Die westliche Nordküste der geteilten Insel dürfte landschaftlich noch immer der wirklich schönste, weil noch am wenigsten veränderte Küstenabschnitt Zyperns sein. Hier erstreckte sich einst in der Bronzezeit das antike Königreich Marion - vom heutigen Polis Chrysochous bis in den heute türkischen Teil hinüber. Gleich hinter der widernatürlichen Grenze liegt Limnitis, heute Yesilirmak. Das landwirtschaftlich geprägte Dörfchen mit auffallend vielen Zyperntürken, die natürlich das Griechische noch aktiv sprechen, hat mindestens drei Highlights: solche Meeresgaststätten (siehe oben), ein eigenes Inselchen (heute unbetretbar, weil im Grenzgebiet liegend) und Erdbeerfelder, soweit das Auge sieht.
Autos aus beiden Teilen der Insel verursachen wegen der frisch-festen und vor allem ausgereiften Erdbeeren das reinste Verkehrschaos. Links und rechts Erdbeerflächen, bestens kultiviert (und neuerdings sogar zu Teilen sogar eingezäunt).
Zurück zum Meer und seinem Inselchen, auf dem schwedische Archäologen in den 30er-Jahres des vorigen Jahrhunderts jede Menge prähistorische Siedlungsreste gefunden hatten: Limnits-Island ist für mich noch vor dem mit Kredefelsen umrahmten Birthplace der Aphrodite an der Südküste das eigentliche Wahrzeichen von Zypern.
Wie gesagt: Sattes Meerblau und Fernsicht sind eine ideale Wohlfühlkombination für Einheimische und Touristen mit Hoffnungsfaktor auf noch mehr Sonne. Aus dem Dunst treten dann die Berg- und Landschaftskonturen hervor und täuschen nachbarschaftliche Nähe vor.
Die Rückreise vom jenseits in das Diesseits der EU ist immer noch grenzwertig; Die beiden Seiten verhandeln seit 1974 ergebnislos. Jetzt haben die "schwarzen" Regierungen im Süden und im Norden einen erneuten Einigungsversuch gestartet. Schließlich trudeln beide Zypernchens aus unterschiedlichen Ursachen in der Krise, schließlich ist man eh auf vielen Gebieten aufeinander angewiesen und - das ist neu und eine mächtige Triebkraft - wollen alle vom Öl- bzw. Erdgas in den nächsten Jahrzehnten partizipieren - da kann und muss man schon mal Kompromisse machen...
Bei uns, also im griechischen EU-Teil der Insel ist das Meer - wen wundert's - genauso blau wie "nebenan". Die Farben des Meeres: eine immer noch unterschätze Informations- und Wohlfühlquelle....