Sonntag, 23. Februar 2014

Sauer hoch zwei: Da sabbern die Trompeter


Mein Vater musste es wissen: Er, der niemals in einem Konzert war, kannte angeblich ein todsicheres Mittel, ein ganzes Orchester aus dem Takt zu bringen: "Du musst in der ersten Reihe sitzen und genüsslich in eine Zitrone beißen... Dann fangen die Posaunen und Trompeter an zu sabbern und der Dirigent bricht ab."



Schmunzeln angedenk meines Vorfahren und seines Rezeptes huscht über mein Gesicht als ich aus dem eigenen Garten und vom einzigen dort vorhandenen Baum Zitronen ernte. Wir leben hier auf Zypern in einer Zitrus"ecke" mit Zitronen, Mandoras und Pomelos an den Hunderten von Bäumen rings um uns herum. Apfelsinen sind hier leider rar; Mandarinen dito. Wir können uns allerdings bescheiden..., zumal wir gutwillige Freunde mit entsprechenden Bäumen auf den Grundstücken haben. Danke u. a. Hermann und Angelika...


Die Insel nahm mit gut und gerne 14.000 Jahrestonnen im Jahr 2011 Platz 43 auf der Weltrangliste der Sauer-Frucht-Produzenten ein - und deckte damit 0,1 Prozent der Weltproduktion ab. 1973 (im Kriegsjahr als Griechen und Türken mit Waffen übereinander herfielen) und 1990 waren es jeweils schon mal 43.000 Tonnen, die inselweit von den Bäumen geerntet wurden - zumeist von den "Hausangestellten" asiatischer oder südosteuropäischer Herkunft für einen Hungerlohn, der vergleichsweise keinen Polen in Deutschland zur Spargelernte locken würde. Auch bei Zitrusfrüchten stagniert also der Anbau, was ggf. auch am wasserintensiven Verbrauch und damit hohen "Betriebskosten" der Bäume liegen und den zugleich immer geringeren Erlösen pro Tonne liegen kann.  Wie ich gerade erfahre, bekommt der Plantagenbesitzer aktuell pro kg Zitone im Verkauf 0,05 Euro: Das erklärt dann fast schon alles!!!

Richtig zitronig








Zitronen auf Zypern - so meine Erfahrung - sind richtig zitronig und im Vergleich mit deutschen Supermarkt"mutanten" zumindest innen ganz etwas Anderes: saftig, voluminös und sauer hoch zwei. Und: Die gut 1000-jährige Kulturfrucht aus Indien, Chinau und dem Mittelmeerraum - das lese ich gerade bei "Bruder" Wiki -, die eine Kreuzung aus Bitterorange und Zitronatzitrone ist - hat in Zypern einen beneidenswerten Hektarertrag: Platz neun weltweit. Dennoch: Die wenigsten Gelbfrüchte und potenzielle Orchesterstörenfriede werden überhaupt geerntet: Die meisten überreifen Früchte streben nach Ablauf ihrer Hängezeit dem Newtonschen Gesetz folgend einfach dem Erdmittelpunkt entgegen und verrotten deshalb unter dem Blätterdach auf sonnenverdorrter Wiese. Und das zwei Mal im Jahr. 










Zurück zu meiner eigenen Ernte: Wohin mit 60 oder 90 Limonen des hoheitlich per Mietzahlung nießbräuchlichen Baumes? Wohin mit den Gewächsen auf den drei Nachbarbäumen, die ich mal "befreundet" nennen würde, weil sie hinter der eigentlichen Grundstücksbegrenzung praktisch im Niemandsland stehen und mir täglich im sattesten Gelb zuzuzwinkern scheinen: Erntet uns, sonst verderben wir!
  
Wohin also? Am besten in die Glasflasche als Sirup - mit wenig Zucker. Da freuen sich deutsche Bekannte, erhofft auch meine Enkelin Pia. Deswegen koche ich Woche für Woche, zwei, drei Liter dieses Zitronengetränks nach dem Motto: 100 Tropfen auf ein Glas Wasser. 





Ein Hoch also auf die kultivierten, aber - mit Ausnahme von mir - leider oft nicht durchgängig sinnvoll verwerteten C-Vitamine, prost allerseits. 



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