Donnerstag, 14. Oktober 2010

Vorhang auf nach 47 Jahren

Unsere Küstenstraße im Norden ist heute um geschätzte 150 km länger geworden. Nicht, weil ein da ein Überirdischer am Werke war, sondern weil zwei ehemals verfeindete Volksgruppen gemeinsam einen Schritt in Richtung Vernunft und Realismus gewagt haben: Nach 47 Jahren gibt es ein neues Loch in der noch immer von UN-Truppen zusätzlich gesicherten Grenze in Form einer neuen Straße durch die Pufferzone hindurch - mitfinanziert von den USA.

Der Limnitis-Übergang bei Kato Pyrgos ist für alle, die im Norden des zyprisch-griechischen Südens und im Nordwesten des türkisch besetzen Nordens wohnen, von enormer Bedeutung. Wir z. B. erreichen die Hauptstadt Nikosia jetzt "oben herum" auf bisher nicht gekannten und zudem 60 km kürzeren Wegen. Dass unsere Dorfstraße jetzt womöglich lebhafter wird, das ist den Zyprioten beider Seiten vom Herzen zu gönnen. Ohropax ist reichlich vorhanden...
Heute zur Eröffnung mit dabei: die beiden Präsidenten Christofias (EU-Zypern) und Ergolu (Nordzyprische Republik), viel Volk, der US-Botschafter, der UNO-Sonderbotschafter und EU-Erweiterungskommissar Füle.
Übrigens werden am Montag die Einigungsverhandlungen fortgesetzt - mit dem fast 80. Spitzengespräch in zweieinhalb Jahren.
Mehr als ein Symbol: Fahrzeuge der UN-Friedenstruppe stellen sich in "ihrem" Territorium (Pufferzone zwischen den verfeindeten Volksgruppen) so lange quer, bis die Grenze dann offiziell öffnet. Seither flutet der Verkehr durch die Kilometer breite Pufferzone, um dann hinter den Bergen bei Limnitis zum nordzyprischen Kontrollpunkt zu kommen. Achtung Kraftfahrer: Der nordzyprische Teil ist NICHT durch die Kfz-Versicherungen mit EU-Gültigkeit abgedeckt; man muss bei seiner Einreise mit Auto eine extra Versicherung abschließen
Ruhe vor dem Ansturm, der am Nachmittag punkt 15 Uhr zur Grenzöffnung vor allem von griechisch-zypriotischer Seite einsetzte: Die EU-Außengrenze hat ein neues Tor in die Welt
Auffallend viele Deutsche am historischen Tag im Nordwesten Zyperns: Erinnerung an den Mauerfall vor 20 Jahren


Nordzyprische Medienvertreter werden mit dem UN-Bus "herüber" in den griechischen Teil gefahren: Für viele Reporter der erste Besuch "drüben"
Die Zypern-Limousine Number One: Der Staatspräsident passiert den neuen Grenzübergang
Auch er wird sich an seine Jugend erinnern, wo Eselgespanne und allenfalls die britischen Kolonialherren "seine" Straße letztmalig benutzt haben
Bewohnerin direkt an Grenze, wo 47 Jahre kaum ein Auto vorbei kam


Demetris Christofias (Ex-Kommunist) und der Nordzypern-"Leader" Dervis Eroglu symbolisieren die Hoffnung auf ein vereintes Zypern: Nach zweijährigen Verhandlungen ohne wesentliche Ergebnisse bisher (außer zwei neuen Grenzübergängen in Nikosia und hier in Kato Pyrgos) will man 2011 ggf. "durch" sein. Von der Einigung auf Zypern hängen nicht unwesentlich die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei ab
Wo Entscheidungen fallen, ist in Zypern die Kirche nicht weit: Staatspräsident Christofias und der orthodoxe Chef der Märrthyrer-Kirche aus dem benachbarten Pachyammos (Hier tobte 1964 der lokale Bürgerkrieg von Tyllerias mit Opfern auf beiden Seiten - u. a. durch Scharfschützen und Napalm)


UN-Truppen aus Südamerika, Großbritannien und der Slowakei sind seit 1964 (!) auf Zypern im Einsatz: Geht´s bald nach Hause?
Zwei Widersacher in den Verhandlungen; aber privat scheint´s nicht gerade zu fremdeln
Erwartungsvoll blickt er auch nach Deutschland: Angela Merkel will im Januar auf Zypern den Verhandlungen ggf. neue Impulse geben

1 Kommentar:

Angelika hat gesagt…

Wahrhaft ein eindrucksvolles Erlebnis!