Sonntag, 9. Oktober 2011

Marion, zeig dich endlich!


Ach Marion! Demnächst gibt es in den USA eine Ausstellung über dich, aber im eigenen Land kennt dich kaum jemand. Seit 2.300 Jahren zeigst du dich nicht mehr, du zyprisches Stadtkönigreich mit dem uns gegenwärtigen Mädchennamen. Du liegst irgendwo im Westen der Nordküste unter neuzeitlicher Überbauung, Gras, Acker oder Müll. Einiges von dir haben die britischen Kolonialgräber schlichtweg geklaut und ins British Museum seiner Majestät verbracht.

In Polis Chrysochou, das sich heute womöglich über dir ausbreitet (was wiederum von so manchen Archäologen bezweifelt wird), werden einige Artefakte der eisenzeitlichen Marion im Museum ausgestellt: Werkzeug, Sarkophage, Figuren, Grabbeilagen. Aber wo genau du unter der Erde liegst, du mit deiner wehrhaften, aber im entscheidenden Zeitpunkt leider durchlässigen Mauer (was die Perser seinerzeit veranlasste, sämtliche Einwohner zu köpfen oder niederzustechen), das weiß nicht mal die Aphrodite so genau. Marion, das verraten uns Münzfunde, soll sich dann aber wieder unter zwei Perserkönigen wieder aufgerappelt haben. Die Ptolomäer waren im Jahr 312 vor Christus dann die zweiten und letzten Eroberer; sämtliche Einwohner wurden versklavt...

Zypern hatte ein Dutzend Stadtkönigreiche - oft dort, wo Kupfer geschmolzen wurde. Marion hatte zwei Minen; die letzte von beiden wurde erst in Folge des Krieges 1974 geschlossen: Limini. Um Polis und unter Polis und vor Polis im Meer hätten deshalb Archäologen, wenn sie denn das Geld dazu hätten, alle Hände und Schippen und Siebe voll zu tun. Nach den sieben Marion-Königen (wo sind ihre Gräber?) ging die Besiedlung an diesem Küstenabschnitt weiter. Neue Siedlungsschichten, neue Einwanderer (irgendwann kamen die Griechen), neue Häuser, Straßen, Tempel . Jetzt lebt ein buntes Völkchen hier in dieser "Ecke": Griechen, (die Türken, die vierhundert Jahre hier siedelten, wurden vertrieben), Engländer, Russen, Vietnamesen, Sri Lankesen, Ägypter, Polen, Bulgaren, Rumänen und Deutsche: etwa 80 bis 100, zum Teil hier verheiratet, zum Teil berentet, zum Teil - wie ich, hier arbeitend...

Marion, wo bist du? Hörst du meine Rufe, auch ich suche nach dir (natürlich ohne zu graben, sondern nur an der Oberfläche, aber nicht oberflächlich) - mit bescheidenem Erfolg bisher. Aber: Noch ist ja nicht aller Tage Abend.
Neben dem Schulkomplex von Polis: Ein kleines Tälchen, ein Feld mit Melonen, eine abgebrannte Böschung. Hier finde ich einen ersten antiken Hinweis: einen behauenen Quader - Teil eines Hauses, einer Mauer?
Ein paar Schritte weiter: Scherben, Henkel von Krügen und Steine - alle in einer Reihe. Das ist Zufall, nein!
Also die Böschung hoch: Ach, da ist die Schule. Davor über 2.000-jährige Hausstrukturen. Hinter vorgehaltener Hand erzählt mir ein Einheimischer: Man hat den riesigen Bildungskomplex auf antiken Hinterlassenschaften gebaut: Der Staat war schneller als seine Archäologen (sein durften?)
Das Feld hinter der Schule: Scherben liegen zu Hunderten zwischen Steinen
Hinterm Feld - ein überwuchertes Areal, ggf. 400 Meter von Meer entfernt: Überall Mauerreste, die Hausgrundrisse erahnen lassen
Huch, was ist das? Ein natürlich im Sandstein entstandenes Strudelbecken, vier Meter tief. War das die Zisterne von Marion?
Irgendeine Funktion muss dieses "Loch" gehabt haben: Wasserspeicher, Gefangenenturm (senkrecht nach unten), Schlangegrube (man beachte den fensterartigen Aushub am oberen Rand)
Meine Ausbeute von Feld und Flur (nichts entstammt den Arealen, wo Grundmauern zu sehen sind): Scherben von massiven Tonkrügen...
... in der Brandasche der Böschung eine bemalte Scherbe...
... auf dem Feld ragte ein großes Griffstück einer Amphore aus der Krume
Zurück zur Küstenstraße. Etwa 250 Meter von der Schule entfernt und direkt unter der Straße: Der Eingang zum einem unterirdischen Gangsystem: drei Eingänge - geradeaus, nach links, nach rechts
Der Eingang geradeaus führt unter die Straße hindurch zu einer 2010 begonnenen Ausgrabungsstelle (der Gang ist im Dunkeln unten links in der Ausschachtung zu erkennen)
Oben eine Tempelanlage aus der Eisenzeit, unten mysteriöse Gänge. Wo führen die hin?


Parallel zur Tempelanlage geht der Gang weiter. Inzwischen ist bekannt: Die Gänge führten zu einem unterirdischen Gräbern, die wohl schon in der Antike geplündert worden sind. Marion, wo bist du? Warst du hier? Hier endet der erste Teil meiner kleinen Expedition in das Dunkel der Geschichte - zunächst. Fortsetzung mehr als wahrscheinlich.









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