Sonntag, 21. März 2010

EU-Anachronismus Kokkina: Türkischer Berg, von Argentiniern bewacht


Lassen Sie uns heute über ein starkes Stück Realität im Inselnorden sprechen: die türkische Enklave Kokkina.
Seit 1974 werden fünf unbewohnte Kilometer Küste samt Berg dahinter mitten im heutigen EU-Zypern (also griechischem Teil) vom türkischen Norden besetzt und beansprucht. Um das Rollback zu verhindern, wird die Enklave und Monaco-Größe seither von argentinischen UN-Soldaten bewacht. Weil es nirgendwo auf der Insel seit der Teilung vor 36 Jahren eine direkte Grenze zwischen Nordtürken und Südgriechen gibt, sondern immer eine UN-Pufferzone dazwischen liegt, muss man sich die Enklave, in der die einstige Küstenstraße verläuft, wie folgt vorstellen:

Um den besetzten Berg zu umfahren, musste eine bis gut 700 Meter ansteigende Straßenumgehung gebaut werden. Weil ca. 5-7 km der alten Küstenstraße in der Enklave von der Außenwelt abgeschnitten sind, muss man kurvenverträgliches Fahren ertragen und gut 30 Minuten zusätzlich einplanen, hat dann aber dafür von oben herrlichste Ausblicke a) auf immer drei hintereinander folgenden Grenztürme der Griechen, der UN-Truppen und dann erst der Türken, b) auf die leerstehenden Häuser der Enklave selbst und c) auf das Mittelmeer, dessen Horizont bas bei bestimmten Wetterlagen auch das 100 km entfernte Taurisgebirge auf dem türkischen Festland erkennen lässt.

Die Geschichte von Kokkina (heute als Nicht-EU-Teil mitten in der Republik Zypern und damit in der EU gelegen), von dessem einzigen Berg - ähnlich wie in Nikosia (türk. Teil) in riesigen Dimensionen die Flaggen der Schutzmacht Türkei und der international nicht anerkannten nordzyprischen Republik prangen - ist schnell erzählt.
Auch hier, wie übrigens an der gesamten Nordküste der Inseln, wohnten seit Jahrhunderten Türken in Einzel- oder griechisch-türkischen Mischdörfern. Von den Briten und beiden Bevölkerungsgruppen gleichermaßen geschürten ethnischen Auseinandersetzungen in den frühen 50-er und dann nach der Abschaffung des Kolonialstatus' zu Anfang der 60-er Jahre führten zu der nicht ganz freiwilligen Selbstschutzidee, die türkische Minderheit - auch die von der Südküste von Larnaca & Co. - in "Schutz"räumen zu konzentrieren. Dafür empfahl sich unter anderem das Areal um Kokkina. Kaum waren die Türken dort massiv angesiedelt, beschossen griechische Untergrund-Kämpfer der EOK-B (das war die paramilitärische Anschlussbewegung "Zypern muss Teil Griechenlands werden") diesen Lebensraum. Die Reaktion der Schutzmacht der auf der Insel lebenden türkischen Zyprer, der Festlandstürken, lies nicht lange auf sich warten: Sie versuchten, u. a. mit Napalmangriffen die Partisanenaktivitäten auszuschalten...

Mit anderen Worten: Heutiger Irrsinn ist mit historischen Irrsinn zu erklären. Übrigens: Bis vor wenigen Jahren hat Deutschland noch sechs oder sieben Prozent der Kosten für die UN-Abstandstruppen hier auf Zypern getragen...
Nicht mehr und nicht weniger: ein Felsen mit riesigen Hoheitsfahnen
Alles entvölkert; nur eine Handvoll türkischer Soldaten soll hier noch Dienst schieben
Blick auf die Schutzzone der UN mit deutlich sichtbaren Wachtürmen

Die Gebirgsumfahrungsstraße: oben der grieschisch-zyprische und damit der UN-Zone vorgelagerte Grenzposten (zugleich EU-Außengrenze)
Das argentische UN-Camp rückt näher

Südamerikanische Soldaten in einem asiatischen Land: Folge der britisch-kolonialen Weltgeschichte, die nur schwer zu begreifen ist


Hinterm Horizont geht's weiter: "Drüben" mit dem gewaltigen Taurus-Gebirge

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